Eine deutsche Hochhauskellersauna, aber auch eine Wellness-Saunawelt unterscheidet sich von einer echten finnischen Sauna ungefähr so, wie eine sonntägliche Seilbahnfahrt mit Tante Paula auf den Herzogstand von einer herrlichen Rundwanderung auf einsamen Steigen im selben Gebiet.
Auch wenn man jeweils am Herzogstand landet, kann man eine Bergwanderung mit einer Seilbahnfahrt nicht vergleichen. Genauso verhält es sich mit der Sauna. Nur weil es heiss ist und man schwitzt, hat man nicht zwangsläufig das gleiche Entspannungsgefühl, wie in einer finnischen Sauna direkt am See.
Zu jedem Sommerhaus (finnisch mökki) gehört eine Sauna und die ist natürlich am See gebaut. Dort kann man die Sauna im Kreis der Familie und Freunden geniessen. In Deutschland hat man i.d.R. nur Zugang zu einer öffentlichen Sauna. Dort darf man sich dann mit verschiedenen Saunatypen herumschlagen. Zum Beispiel die, die so laut flüstern, dass man, ob man will oder nicht, der Unterhaltung folgen muss, was von den Flüsterern auch meist beabsichtigt ist. Dann gibt es noch die Oberlehrer, meistens ältere Semester, die auf Zucht und Ordnung in der Sauna höchsten Wert legen und jeden daran teilhaben lassen wollen. Da wurden auch schon meine Kinder angesprochen, dass sie sich vor dem Sprung ins Abkühlbecken duschen müssen (haben sie natürlich längst getan). Kinder werden, auch wenn in der jeweiligen Sauna erlaubt, generell sehr skeptisch gesehen.
Aber das ist nicht unbedingt der Hauptpunkt, der gegen die deutsche Sauna spricht. Allein das Anheizen der Sauna ist schon ein Genuss. Ich habe noch nie einer japanischen Teezeremonie beigewohnt, aber mit dem gleichen meditativen Aspekt stelle ich sie mir vor. Da muss zuerst das Holz geholt und ein Feuer entfacht werden. Die Bäume hat man vielleicht selbst gefällt und vor Jahren zu Scheiten gehackt. Aus dem See wird dann noch jede Menge Wasser in die Sauna getragen. Während man wartet und gelegentlich Holz nachlegt schweift der Blick immer wieder über den See, die Wellen und die Inseln.
Nachdem ersten Saunagang kommt das Zweitbeste: Man springt (natürlich ungeduscht) in den See. Meistens sauniert man am Abend. In der Abendsonne im See zu schwimmen ist herrlich.
Man fühlt sich als Teil der Natur. Nach dem Zweitbesten kommt das Beste: Wenn man genug davon hat eins zusammen mit der Natur zu sein (und einem kalt wird), setzt man sich vor die Saunahütte mit Blick Richtung See. Natürlich darf dabei ein Saunabier nicht fehlen. Ich bin kein grosser Biertrinker, aber ein finnisches Bier zwischen den Saunagängen muss sein.
Es gibt aber noch mehr Unterschiede. Auf den ersten Blick unwesentlich erscheint die Sanduhr beim Eingang zur deutschen Wellness-Sauna. Bei genauerem Blick zeigt sie jedoch die kulturellen Unterschiede. In Deutschland legt man Wert auf Pünktlichkeit und Ordnung, da sagt einem dann die abgelaufene Sanduhr, wann man genug entspannt ist. In Finnland gehen schon Kleinkinder in die Sauna und lernen von klein auf, wann es zu heiss ist und eine Abkühlung im See nötig ist.
Ein anderer Punkt ist der ordnungsgemäße Aufguss mit einem Handtuchwedler (aka Bademeister). Auch in Finnland macht man Aufgüsse, aber ohne Zeitplan. Bei deutschen Saunen wird häufig mit einer Uhr am Eingang angezeigt, wann der nächste Aufguss erfolgt. Auch hier spielt die Pünktlichkeit und Ordnung eine grosser Rolle. Eigentlich das Gegenteil von Entspannung. Auch ohne auf die Uhr zu schauen weiss ich wann ein amtlich verordneter Aufguss durchgeführt wird. Wenn sich die Sauna plötzlich merklich füllt, ist der Handtuchwedler nicht mehr weit. Dann muss man sich schnell entscheiden, sitzen bleiben oder bis zum Ende warten. Ich würde mich nie trauen während des Aufgusses die Sauna zu verlassen, um einer Steinigung zu entgehen müsste man schon einen Schwächeanfall simulieren.
Aber auch das ist noch nicht alles. Ich las einmal ein Buch von einem deutschen Ehepaar, das ein Jahr in Lappland verbringen wollten. Das erste was sie gemacht haben, war die Sauna in einen Schuppen umzuwandeln. Für einen Finnen ist das genau so, wie wenn man in der Wohnung das einzige Badezimmer und die Küche in ein Bügelzimmer umbaut. Wenn früher ein Bauernhof abgebrannt ist, war das erste Gebäude, das aufgebaut wurde, die Sauna. Die Sauna ist lebensnotwendig. Die spendet nicht nur Wärme und Entspannung.
In der Sauna gibt es am Ofen einen Behälter in dem Wasser eingefüllt wird. So hat man nach der Sauna heisses Wasser. Ausserdem ist der Boden geneigt, so dass Wasser über eine Rinne abfliessen kann. Man kann sich daher in einer Sauna hervorragend waschen. Mit einem Bottich mit kalten Wasser mischt man sich seine Liebliengswassertemperatur zusammen, seift sich ein und spült sich ab. Besser als jede Dusche.
Am nächsten Tag ist das Wasser in der Sauna immer noch lauwarm, so dass man Waschen und Abspülen kann. Nach der Sauna kann man feuchte Wäsche und Handtücher aufhängen. Früher wurden Kinder in der Sauna geboren.
Kein kulinarischer Höhepunkt aber sehr praktisch ist die Saunawurst. Man legt eine Wurst in einer Alutüte während des Saunagangs auf die heissen Steine. Mit Ketchup, Brot und Kartoffeln hat man eine ordentliche und schnelle Mahlzeit.
Mit anderen Worten, die Sauna ist der wichtigste Raum im Sommerhaus.
Um eine finnische Sauna zu geniessen muss man sich nicht unbedingt ein Sommerhaus mieten (wenn auch sehr zu empfehlen). Es gibt auch einige öffentliche Saunen, die jedermann nutzen kann, zum Nulltarif. Eine herrliche Kellosauna gibt es im Saimaagebiet. Da die Sauna auf einer Insel liegt, braucht man allerdings ein Boot um hinzukommen. Was gibt es schöneres nach einer Kajaktour sich in der Sauna zu entspannen? Aber bitte nicht das Bier vergessen!